Die sympathischen Schweden Tiger Lou um das Mastermind Rasmus Kellerman kenne und liebe ich seit über zehn Jahren. Alben wie Is My Head Still On? oder A Partial Print verehre ich bis heute und ich werde nie müde, sie zu hören. Umso mehr freute ich mich, dass sie auf dem diesjährigen Reeperbahnfestival auftraten. Vor acht Jahren kam A Partial Print raus, vor acht Jahren habe ich sie zum letzten Mal live gesehen. Am 23. September erschien nach viel zu langer Abstinenz The Wound Dresser und man kann sich in Zukunft wieder auf mehr Präsenz von Tiger Lou freuen. Zu unserem (aus Zeitgründen leider kurzem) Interview auf dem kalten, dunklen Dach vom Terrace Hill haben wir Sänger Rasmus und Schlagzeuger Pontus zu ihrem Comeback, die acht Jahre davor und dem neuen Album befragt.
A Partial Print ist mittlerweile acht Jahre alt. Was habt Ihr seitdem gemacht?
Rasmus: Jeden Tag gelebt. Acht Jahre sind wie im Flug vergangen.
Du hast 2010 noch das Soloalbum The 24th herausgebracht.
Rasmus: Ja, danach habe ich in diversen anderen Projekten gespielt, die nie ernster wurden. (lacht)
Pontus: Jeder von uns dachte das Gleiche, als wir die Band für unbestimmte Zeit auf Eis legten: Jeder hat Zeit für sich und kann andere Sachen ausprobieren. Erik, unser Bassist, und ich hatten eine Band namens The Torpedos und haben ein Album inklusive Tour hervorgebracht. Ich spielte als selbstständiger Schlagzeuger für eine Weile in verschiedenen Projekten. Mit meiner Frau hatte ich auch ein paar Auftritte. Und dann würde ich sagen, ist einfach das Leben passiert.
Rasmus: Ja, absolut! Das war auch genau der Punkt: Jeder wollte sich weiterbilden, einen Job haben, eine Familie gründen, die Miete bezahlen. Das war vorher schon hart genug. Es war einfacher für mich, als ich einen richtigen Job hatte. (lacht) Wir hatten alle verschiedene Musikprojekte, die uns länger haben warten lassen, bevor wir wieder Tiger Lou waren.
Ist das also ein endgültiges Comeback von Tiger Lou?
Beide: Ja, definitiv!
Rasmus: Einerseits wird es für uns immer das sein, was es schon immer war. Es war früher alles, was wir hatten. Andererseits hat jetzt jeder Jobs und Familie. Tiger Lou ist ein Projekt, das wir mit Leidenschaft betreiben. Wir treffen uns alle ein bis zwei Wochen zur Probe. Das Album kam heute raus, wir spielen auf jeden Fall wieder mehr Shows. Aber wir werden nicht mehr so intensiv touren wie damals, weil es unmöglich geworden ist. Keiner von uns will so lange von Daheim weg sein.
Pontus: Bei den alten Alben haben wir 100 Shows pro Jahr gespielt. Wenn du es als leidenschaftliches Projekt führen willst, musst du die Leidenschaft auch aufrechterhalten. Nach 100 oder 150 Shows im Jahr: Ich weiß nicht mehr, wie viel Leidenschaft bei den letzten Shows noch übrig war. (lacht) Für uns alle hat es Jahre gedauert um zu verstehen, wie wichtig die Band für uns war. Vor drei Jahren haben wir nur eine kleine private Show für unsere Freunde gespielt, mitten im Wald, eine Stunde von Stockholm entfernt. Vorher haben wir fünf oder sechs Jahre nicht mehr zusammengespielt. Bei diesem Gig kam die Leidenschaft wieder und wir verabredeten uns zu einer neuen Probe. Es klang gut und wir hatten wieder Lust, öfter zusammen abzuhängen, so wie früher. Dann kam die Idee für ein Album, das drei Jahre in Anspruch genommen hat. Aber man sollte eigentlich gar nicht so lange für ein Album brauchen.
Rasmus: Nein, absolut nicht. Aber wir hatten dadurch auch keinen Druck, keinen Zeitplan. Wir nahmen Songs auf, wenn wir Zeit hatten. Manchmal vier Stunden an einem Abend, dann hat es acht Wochen gedauert, bis wir uns wieder getroffen haben. Irgendwann hatten wir 12 Songs und waren bereit.
Das Album ist jetzt draußen, Glückwunsch! Erzählt mehr davon.
Rasmus: Es ist sehr gut! Nicht zu lang, nicht zu kurz. (lacht)
Haben sich die Songs in den drei Jahren Aufnahmeprozess nochmals verändert?
Rasmus: Ich glaube, man hört dem Album an, dass wir einfach so entspannt und befreit von Deadlines waren. Nichts klingt gezwungen. In vielerlei Hinsicht klingt es exakt nach Tiger Lou. [Pontus stimmt zu] Das ganze Konzept von A Partial Print basierte darauf, unsere musikalischen Grenzen auszureizen. Wir saßen mehrere Monate an diesem Konzeptalbum, haben viele Demos gemacht. Es wurde fast zu einem mathematischen Prozess, als hätten wir es in einem Labor aufgenommen. Die Songs waren chronologisch, in der Reihenfolge haben wir sie auch aufgenommen. Da war nicht mehr viel Freiraum für Experimente, so wie bei The Wound Dresser.
Pontus: Manchmal schickte mir Rasmus kurze Demos und wir diskutierten was passt.
Rasmus: Was auch irgendwie neu für uns war. Vorher habe ich fast alles selbst geschrieben und aufgenommen. Diesmal haben wir sehr eng zusammengearbeitet und entschieden, was kacke ist und was nicht. (lacht)
Pontus: Genau. Unser erstes Album Is My Head Still On? war ein klassisches Debütalbum mit Songs aus verschiedenen Lebensphasen. Das zweite Album The Loyal hatte schon mehr Band in sich, auch weil wir viel auf Tour waren. A Partial Print legte mehr Wert auf Instrumente und Konzepte. The Wound Dresser ist so etwas wie die Essenz von Tiger Lou. Das, was die Band wirklich ausmacht. Kein anderes Album repräsentiert für mich Tiger Lou so sehr wie The Wound Dresser. Lange Antwort. (lachen)
Die Leidenschaft ist zurück bei Rasmus und PontusWer ist auf dem Cover zu sehen?
Rasmus: Ich weiß es nicht! Ich habe nicht gefragt. Ich habe das Bild gefunden und den Fotografen Joe Curtin kontaktiert. Es muss wohl ein Freund von ihm sein. Es war sechs oder acht Jahre her, er muss also noch sehr jung gewesen sein. Ich habe ihn nicht gefragt, weil ich die Unwissenheit mag. [Das Gespräch wird kurz unterbrochen: Die Band hat nur noch wenige Minuten, bevor sie weiter muss.]
Ok, dann leider schon die letzte Frage: Vergangenes Jahr habt Ihr die ersten Shows als Tiger Lou gespielt. Wie war das Comeback auf der Bühne?
Rasmus: Wunderbar! Für mich hat es sich die ganze Zeit so natürlich angefühlt. Schon, als wir auf der Party für unsere Freunde gespielt haben, fühlte sich alles so angenehm gewohnt an. Ich habe mich gefragt, warum ich das so lange nicht mehr gemacht habe, obwohl es sich so natürlich anfühlt. Es ist wie Fahrrad fahren.
Pontus: Aber ich denke nicht, dass das Gefühl auch bestanden hätte, wenn vier Monate nach der letzten Tour wieder eingestiegen wärst, Rasmus. Wir brauchten die Pause. Wir lieben Tiger Lou, es war und ist ein wichtiger Teil unseres Lebens. Die Pause war essentiell wichtig. Als wir auf die Jahre zurückgeblickt haben, erkannten wir was wir an der Band so geliebt haben. Vielleicht müssen wir nicht jeden Tag oder Monate am Stück spielen. Wir mussten uns zurückhalten, um die Liebe nicht zu verlieren.
Rasmus: Wir sind sehr selektiv geworden. Wir müssen nicht so viel wie möglich machen, wir suchen uns die guten Sachen raus. Damit fühlen wir uns gut.
Da war das Interview leider schon wieder vorbei. In ihren Aussagen merkte man definitiv die Freude an, die sie die ganze Zeit beschrieben haben. Sie haben es genossen, wieder auf der Bühne zu stehen. Ich sehe den Gig im Uebel & Gefährlich als den Start in eine neue Phase von Tiger Lou und freue mich schon auf das nächste Konzert. Glaubt man Rasmus, wird es nicht mehr so lange dauern.
Die Setlist zum Auftritt auf dem Reeperbahnfestival im Uebel & Gefährlich gibt es hier: