Das Internet kann manchmal ein fieser Ort sein, gerade wenn man sich in Deutschland befindet. In dieser Woche wollte ich mir gerne das Video zu José González‚ Song „Let It Carry You“ ansehen, dessen Screen Shots recht vielversprechend wirkten. Näher kam ich dem Clip ohnehin nicht, denn auf Youtube war er natürlich gesperrt, bei Vimeo hatte ihn niemand hochgeladen und auch die anderen Portale, an die man sich in einem solchen Fall wendet, straften ihn mit Ignoranz. Ohne hier Gema und/oder Youtube ans Bein pissen zu wollen: Dieser Streit dauert schon viel zu lange. Lasst euch eine Lösung einfallen! Glücklicherweise gab es die fünf folgenden Videos ohne größere Probleme in Deutschland zu sehen, so dass die folgende Liste zu Stande kommen konnte.
5. Inheaven – Bitter Town (Regie: Chloe Little)
Alleine das Bild des Gitarristen vor einer Posterwand voller großartiger Gitarrenbands zeugt schon von dem sicheren Händchen, mit dem Chloe Little hier die Musik von Inheaven in Szene setzt. Eine Geschichte möchte man uns mit „Bitter Town“ nicht erzählen, stattdessen fahren wir in einem Cabrio durch eine Kleinstadt und landen irgendwann auf der Bühne eines Nachtclubs. Ein Hauch von Mystery weht durch die Szenerie und rundet das Gesamtpaket hervorragend ab.
https://vimeo.com/140161140
4. Dilly Dally – Purple Rage (Regie: Adam Christoph Seward)
Der Konflikt zwischen Kultur und Natur ist einer der Ältesten, die die Geschichte anzubieten hat. Dilly Dally legen ihren Clip zu „Purple Rage“ nun als Neuauflage dieser Begegnung an, verleihen ihr jedoch einen fantastischen Anstrich. Ein lilafarbenes Sumpfmonster verlässt seinen Wald, lernt die Großstadt kennen und trifft auf nicht besonders freundliche Menschen. Ohne konkrete, greifbare, plakative Ereignisse kommt die Erzählung aus und portraitiert dennoch gekonnt die Befremdlichkeit, die einem solchen Zusammenstoß innewohnt.
3. Love A – Toter Winkel (Regie: Kay Otto)
Tristesse auf dem Land, dieses Sujet liegt Love A gewissermaßen im Blut. Einem der titelgebenden toten Winkeln scheinen auch die vier Protagonisten zu entstammen, die sich im aktuellen Clip der Band mit Drogen und Musik die Tage verkürzen – bis ihnen irgendwann die Idee kommt, eine Pistole zu stehlen. Auch hier verzichtet man auf plakative Wendungen und lässt den Bonnie & Clyde Rausch in einem wirkungsmächtigen letzten Bild kulminieren. Vor der Langeweile gibt es in letzter Konsequenz kein Entkommen.
2. The Libertines – Heart Of The Matter (Regie: Roger Sargent)
Was gab es diese Woche für einen Tumult um dieses Video! Brutalität! Folter! Drogen! Dabei konnte man leicht vergessen, dass „Heart Of The Matter“ tatsächlich eine gekonnte Demontage dieser destruktiven Band ist, im wahrsten Sinne des Wortes. Doherty und Barât nehmen sich je einen Doppelgänger ihrer selbst vor, setzen ihn unter Drogen und bearbeiten ihn mit wenig weichen Gegenständen. Der Aspekt des Voyeurismus, der hier ebenfalls eine zentrale Rolle spielt, ist natürlich ein ganz alter Hut im Popgeschäft, doch darin bestand ja eigentlich schon immer der Reiz der Libertines: Alte Hüte mit so viel Schmiss zu tragen, dass die Illusion entsteht, es handele sich um neuen, heißen Scheiß.
https://vimeo.com/139943964
1. Small Black – Boy’s Life (Regie: Nick Bentgen)
Anachronistisches Erzählen ist so eine Sache, gerade in Musikvideos. Erstmal klingt die Prämisse ziemlich gut, im Endeffekt ist es dann aber meistens richtiger Quatsch, weil die Mittel zu begrenzt sind und das Video gerne schlauer wäre, als es eigentlich ist. „Boy’s Life“ erzählt ebenfalls quer durch die Zeit, vermeidet aber gerade letzteren Fehler: Statt irgendeine Story zu inszenieren, funktioniert das Video wie das Blättern durch eine Kiste mit alten Fotos. So streifen wir mit der Protagonisten durch ihre vergangenen Beziehungen, einsame Nächte in New York, innige Berührungen, hässliche Streitereien und enden ganz unspektakulär in einem Coffe Shop. Ein Understatement, das mit der verträumten Musik harmoniert, die Small Black dazu geschrieben haben. Okay, eigentlich ist es natürlich andesrum, aber eben daran erkennt man ein gutes Video: Für einen Moment wirken die Verhältnisse wie verkehrt, der Song wird zum Soundtrack, die Bebilderung zum Zentrum der Aufmerksamkeit.