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Trümmer Interview

Trümmer „” Tammo Kasper (Bass), Paul Pötsch (Gitarre & Gesang), Maximilian Fenski (Schlagzeug) (v.l.) (Foto: Marc Ehrich)

Heute erscheint das selbstbetitelte Debütalbum der Band Trümmer. Zum Interview treffen wir uns mit Trümmer in Paul Pötschs WG mitten auf St. Pauli nur wenige Meter von der Reeperbahn entfernt. Pötsch soll aus der Wohnung ausziehen, denn sie soll wie der Rest des Viertels schick gemacht werden. Gentrifizierung ist da das Stichwort, aber wir sprechen natürlich auch über das Album.

Testspiel: Paul, Du wohnst ja immer noch hier. Was gibt’s Neues zur Wohnung?

Paul Pötsch: Beim letzten Gespräch mit meiner Vermieterin hat sie mich gefragt: „Was machen wir denn jetzt?“ „Na ja, ich werde nicht ausziehen.“ „Das werden wir ja sehen.“ Dann hat sie aufgelegt. Ich warte jetzt auf eine Reaktion von ihr. Ich weiß nicht, was passieren wird. Erstmal tapfer bleiben. Falls wir die Kündigung bekommen, werden wir das hier zur Elbphilharmonie der Herzen umstrukturieren, und dann wird es hier ein interessantes kulturelles Gegenprogramm geben. Er werden hier Konzerte stattfinden, Lesungen. Gulaschkanone. (Gelächter.)

Testspiel: Im Grunde habt ihr die Gentrifizierung auf St. Pauli mit dem Freitag-Artikel zum Thema gemacht.

Paul Pötsch: Es ist halt insofern amüsant, dass diese ganze Platte bereits letztes Jahr entstanden ist. Vieles dreht sich auf der Platte um die Themen Stadt und Gentrifizierung und: Wo ist der Ort, wo ich stattfinden kann? Und nun ist man selbst davon betroffen. Deswegen ist das gerade ein ganz lustiger Synergieeffekt, denn dass man was man besingt, wird dann plötzlich wahr. Deswegen, ist das nur folgerichtig nicht dem Folge zu leisten und sofort auszuziehen.

Mythos St. Pauli

Testspiel: Was kann und sollte man denn eurer Meinung nach gegen die Gentrifizierung zum Beispiel hier im Stadtteil St. Pauli machen?

Paul Pötsch: Ich glaube, es geht einfach darum, dass man seine eigenen Vorstellungen, die man von sich selbst hat und von dem Leben, das man führen will, und von der Stadt, in der man leben will, dass man diese erst einmal formuliert, ernst nimmt und dann realisiert. Wir machen das eben dadurch, dass wir eine Band gegründet haben, wo wir halt über solche Dinge singen können, was uns niemand verbieten kann. Das ist natürlich unsere Form von Vorstellung, dass man die Musiklandschaft verändert, dass man Texte wieder besetzt mit kämpferischen anderen Themen, die man in den letzten Jahren vielleicht ein wenig vermisst hat. Das ist dann unsere Aufgabe. Privat würde ich sagen, sollte man sich halt organisieren, was hier auch passiert.

Maximilian Fenski: Und auch in den Dialog gehen. Ich war am Wochenende auf einer WG-Party und stand dann irgendwie rauchend auf dem Balkon und kam mit einer Gruppe von drei Leuten ins Gespräch, die mir gesagt haben: „Das was auch in Berlin gerade passiert, das ist ja nicht schlimm. Also klar, die Mieten steigen, aber da muss man halt zusehen, dass man schnellstmöglich eine Wohnung kauft, um daran zu partizipieren.“ Denen muss man dann sagen: „Nein! Leute bleiben zurück, Leute bleiben auf der Strecke, wenn so etwas passiert.“ Man muss das Bewusstsein schaffen, dass es sich dabei um Ausgrenzung dreht und dass es auch die Leute selber treffen kann. Und dass man nicht probiert, mit den Gesetzen des Marktes mitzugehen.

Testspiel: Glaubt ihr denn, dass man die Gentrifizierung aufhalten kann?

Paul Pötsch: Man kann sie zumindest entschärfen. Man sieht’s ganz eindrucksvoll an den Esso-Häusern in der City. Eine kleine Gruppe von politischen Aktivisten, keine Politiker normale Bewohner dieser Stadt, die sich organisieren und austauschen, hat es geschafft, die Dinge zu korrigieren, die Entwicklung zu entschärfen. 50% geförderte Wohnungen wurden zugesagt. Ich glaube auf jeden Fall, dass man so eine Entwicklung umkehren kann.

Testspiel: Welche Bedeutung hat St. Pauli für euch und inwiefern beeinflusst euch das Leben auf St. Pauli?

Paul Pötsch: Diese ganzen Dinge, die passiert sind in Hamburg in den letzten zwei Jahren, die ganzen Probleme, passieren in allen Großstädten, nicht nur in Deutschland, sondern generell in westlichen Großstädten. Dieses Phänomen ist nicht nur auf Hamburg fixiert. In Hambug passiert das alles nur wie unter einem Brennglas gerade gleichzeitig und sehr sichtbar auf kleinem Raum. Das geht eben nicht spurlos an einem vorbei, wenn man wie letztes Jahr im Dezember, dann plötzlich selber in einem Polizeikessel steht und durchs Gefahrengebiet spaziert. Das sind so einschneidende Lebenserfahrungen, die Eindruck hinterlassen, die man textlich verarbeiten muss. Insofern beeinflusst das einen schon. Ich würde aber nicht sagen, dass die Platte eine Platte über Hamburg ist, sondern eine Platte über die Zeit, in der wir gerade leben. Das hat Gültigkeit für andere Städte. Wir sind alle zugezogen. Und irgendwie ist dieses ganze St.-Pauli-Ding einerseits ein Mythos, andererseits hat es aber auch einen Funken von Wahrheit. Es gibt eine Form von Protestkultur oder auch von kreativem musikalischen Protest, an man irgendwie andocken kann.

Tammo Kasper: Es wird immer weniger, aber es gibt noch Freiraum wie zum Beispiel den Golden Pudel Club. Dort machen wir einmal im Monat den Euphorie-Abend mit Bands und DJs. So was gibt’s halt schon noch. Man hat immer das Gefühl: Noch. Und man sieht das bittere Ende näher kommen. Ich finde diesen St.-Pauli-Lokalpatriotismus jedoch fürchterlich, aber so ist das aber nun mal in Hamburg. Die guten Orte, die es gibt, die befinden sich halt auf der Schanze oder St. Pauli, insofern kommt man da auch nicht ganz raus.

Testspiel: Dieses Konzentrierte findet man das nur hier?

Paul Pötsch: Ich habe eine Idealvorstellung von diesem Stadtteil, die es so gar nicht mehr gibt. Eigentlich versuche ich durch die Texte etwas aufrechtzuerhalten, was ich gar nicht selber erlebt habe. Also eine Projektionsfläche von Stadt, die was Offenes hat. Und die ein Ort der Begegnung ist, wo man etwas Fremdem begegnet, etwas Gefährlichem, etwas Dreckigem. Und das wird einem in Hamburg durch die Gentrifizierung sehr erschwert. Also versucht man etwas, was man nie selbst erlebt hat, von dem man nur eine Vorstellung und was es vielleicht auch nie gab, zu verteidigen und aufrechtzuerhalten. Das hat auch was Romantisches.

Maximilian Fenski: Wenn man sich einfach nur die Bauwerke anschaut, die hier neu dazukommen, dann sind das alles Bauten, die nicht dem normalen Bürger dieser Stadt zugute kommen. Das sind Bauwerke in denen Massentourismus stattfindet, ein TUI Operettenhaus oder noch ein weiterer Musical-Bau. Das ist ein Prozess, den es aufzuhalten gilt. Wo das hinführt, kann man zum Beispiel in London sehen. Ich habe gestern einen Artikel drüber gelesen, dass der Großteil der Bauten, die da jetzt gebaut werden, von ausländischen Investoren finanziert werden, die nur darauf spekulieren, dass die Preise steigen, so dass sie in ein paar Jahren wieder verkauft werden können. Das hat mit einem Wohnen in dem Sinne, dass man in der Stadt stattfinden will, überhaupt nichts mehr zu tun.

Paul Pötsch: Ich glaube, das ist das größte Problem in Hamburg gerade, dass die Stadt zunehmend weniger von den eigenen Leuten definiert wird, sondern von anderen Interessen. Und das kriegen wir natürlich auch zu spüren an ganz kleinen Sachen, die für uns aber riesengroß sind, zum Beispiel, dass Clubs verschwinden, dass Orte, mit denen man sich identifiziert, auf einmal weg sind. Schließen müssen, zumachen. Das heißt, die ganzen Orte, die wir brauchen als Musiker und als Künstler, die sind weg. Und die brauchst du einfach. Das ist so, da finden wir statt und da tauschen wir uns aus.

Maximilian Fenski: Und ich glaube nicht nur, dass es für Künstler wichtig ist, sondern dass es für einen Großteil der Menschen in der Stadt ebenso wichtig ist. Wenn man sich einfach mal die Hafencity anguckt. Da will kein Mensch richtig hinziehen, weil es einfach ein totes Gelände ist. Da sind große Caféketten und Glashochhäuser. Und niemand, der richtig bei Verstand ist, möchte da wohnen, weil es einfach kulturell Schattenland ist. Dort findet kein Austausch mehr statt.

Tammo Kasper: Gated Community Style irgendwie.

Testspiel: Ich frage mich, wenn das hier auf St. Pauli alles mal vorbei ist, wo die Kreativen dann hinziehen.

Paul Pötsch: Können alle hierher kommen, in die Wohnung. (Gelächter.)

Maximilian Fenski: Es ist einfach über Kreative oder Künstler zu sprechen, die in einer Band sind, aber hier leben auch noch viele andere Menschen, die nicht so viel Kohle haben und sich die nächste Mietpreiserhöhung auch nicht leisten können. Ich empfinde das als sehr schade.

Testspiel: Es droht, die gesunde soziale Durchmischung und die kulturelle Eigenart des Stadtteils verloren zu gehen. Die Latte Macchiato-Touristen aus Eppendorf sind früher in die Schanze gefahren, dann haben sie angefangen alles aufzukaufen, und irgendwann sind sie da halt wieder alleine. Nur ist es halt auch nicht mehr cool. Da ist es wieder so langweilig wie in Eppendorf.

Tammo Kasper: Der große Unterschied zwischen Hamburg und Berlin ist, dass Du in Berlin vermutlich in einen anderen Kiez ziehst, aber hier gibt’s die Möglichkeit halt nicht.

Punk, Krawall und Pop

Testspiel: Kommen wir zur Musik. Das Thema Gentrifizierung ist auch bei den Goldenen Zitronen ein Thema. Wie kam es denn eigentlich zu der Zusammenarbeit mit den Goldenen Zitronen für das Video „Scheinwerfer und Lautsprecher“?

Paul Pötsch: Ich habe heute zufällig mein Shirt an, was ich mal mit 15 auf einem Konzert in Freiburg gekauft habe. Ich habe Schorsch vor drei Jahren kennen gelernt, weil ich damals noch im Thalia Theater gearbeitet habe, und Schorsch hat Regie geführt. Ich war halt Schauspieler, der neue. So haben wir uns kennen gelernt, und darüber steht der Kontakt. Irgendwann hat er mich angerufen und gefragt, ob wir nächste Woche Samstag Zeit haben für einen Videodreh.

Testspiel: Habt ihr über diese Schiene auch Erobique kennen gelernt?

Paul Pötsch: Carsten ist ein richtiger Freund von uns, den habe ich auch im Theater kennen gelernt. Mittlerweile hängen wir halt ab und haben auf der Platte auch ein paar Sachen gespielt.

Testspiel: Er hat auch das Klavier auf „Wo ist die Euphorie?“ vom „Keine Bewegung“ Labelsampler gespielt. Diese Version hat es aber nicht aufs Album geschafft.

Video: „Wo ist die Euphorie?“

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Maximilian Fenski: Das ist ein typisches Beispiel für die Art und Weise, wie wir arbeiten oder wie dieses Album entstanden ist. Wir haben uns vor rund zwei Jahren gegründet und haben dann angefangen, Songs zu schreiben und Auftritte zu spielen. Nach jedem Auftritt fand eine Art Umwandlungsprozess statt, dass wir Songs anders gespielt haben, umarrangiert haben. Und genau das ist dann auch mit diesem Stück passiert. Wir hatten das Gefühl, da kann man noch mehr rausholen und das Gefühl noch mehr auf den Punkt treffen.

Testspiel: Euer Name und einige eurer Titel, „Schutt und Asche“, „Revolte“ klingen nach Punk und Krawall. Eure Musik aber nicht unbedingt immer. Ist der Kontrast Absicht oder eher Zufall?

Paul Pötsch: Ich glaube, das kommt auf die Perspektive an. Wenn du eine richtig knallharte Punkvergangenheit hast, dann kommt dir das natürlich so vor, als wäre es irgendwie soft. Wir haben beide Reaktionen schon gehabt. Meiner Meinung nach haben wir die Widersprüche ganz gut versöhnt. Wir haben sehr viel Schmutz drauf, aber eben vorgetragen mit einer gewissen Pop-Attitüde, die uns einfach interessiert hat.

Tammo Kasper: Als wir angefangen haben, Musik zu machen, war alles, was wir gemacht haben, tight und laut, und es gab in den Songs nie irgendwie einen Part, der sich wiederholt hätte. Das haben wir dann auch eine Zeitlang gemacht, aber irgendwann merkt man: „Hey, das ist gar nicht so spannend, halt izehnmal den gleichen schellen harten Song zu haben und zu spielen, sondern manchmal wirkt das Harte und Krasse viel, viel stärker, wenn man es halt etwas leiser und ruhiger kontrastiert oder Melodien halt kontrastiert. Wie vielleicht Sonic Youth das halt auch machen, wie die auch in einem Fünfminutenstück am Anfang und am Ende glasklare Popmelodien und eingängige Riffs haben, aber in der Mitte ist zwei Minuten Krach. Dieser Kontrast ist für mich ist sehr, sehr spannend.

Maximilian Fenski: Diesen Dreck auf der Platte, den Paul gerade angesprochen hat, den haben wir uns bewusst reingeholt, indem wir gesagt haben, wir wollen live aufnehmen. Wir haben die Basics der Platte komplett live in einem Raum eingespielt, weil wir keine geplante Musik vom Reißbrett machen wollten. Unsere Musik sollte organisch sein.

Testspiel: Also nicht Spur für Spur.

Maximilian Fenski: Nein, wir standen in einem Raum, Schlagzeug, Verstärker, Paul, Tammo, ich und haben das Zeug eingekloppt.

Tammo Kasper: Klar, sind da noch Overdubs drüber, aber das Grundgerüst ist komplett live.

Paul Pötsch: Ich finde es auch wirklich spannend, eine Form von Popmusik mit Inhalten zu besetzen, die normalerweise in Popmusik nicht stattfinden. Wir verwenden ja schon ein recht eindeutiges und kämpferisches Vokabular. Die Reibung, die dadurch innerhalb von einem Popsong hergestellt wird, finde ich total spannend.

„If you want to fight the system you have to fight yourself“

Testspiel: Was bedeutet das Ai Weiwei Zitat „If you want to fight the system you have to fight yourself“ in „1000. Kippe“ für euch? Ist das auch so ein bisschen das Motto des Albums?

Paul Pötsch: Was diesem Album zugrunde liegt, ist eine Beobachtung, die man an sich, aber auch an anderen macht, nämlich dass man sich in eine Gemütlichkeit geflüchtet hat, die man eigentlich nie haben wollte. Ich hatte, als ich so 14, 15, 16 war, ein relativ klares Bild davon, wie ich sein möchte, wenn ich mal aus der Schule raus bin. Dann habe ich irgendwann gemerkt: Oh Fuck, man hat idoch ein paar Entscheidungen getroffen, die in eine Richtung gehen, in die man nie hin wollte. Das heißt, man ist das geworden, was man nicht werden wollte. Und das liegt dem Satz zugrunde. Und was dem auch zugrunde liegt, ist halt einfach Systemkritik. Systemkritik wird einem total erschwert heute. Es ist schwer zu sagen: „Das ist der Fehler, du bist schuld, diese eine Person hat das und das gemacht.“ Und zu registrieren, dass man an allem auch selber beteiligt ist als handelnde Person und das zu bekämpfen in sich selbst, das steckt da alles drin.

Stream „1000. Kippe“

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Testspiel: Ist das eine Schwierigkeit eurer Generation?

Paul Pötsch: Wir stellen uns nicht hin und sagen: „Unsere Generation ist schlecht.“ Das ist ganz wichtig. Wir stellen uns hin und sagen: „Uns wird es schwer gemacht.“ Es gibt eine Vorstellung davon, dass man ganz schnell wissen muss: „Okay, das ist mein Plan für die nächsten drei Jahre. Da will ich stehen in drei Jahren, das ist meine Karriere, das ist meine geile Karre, das ist meine Eigentumswohnung.“ Es wird einem extrem erschwert, einen eigenen Lebensweg zu gehen. Das hieß aber eigentlich mal in der klassischen Definition „jung sein“. Eigene Vorstellungen realisieren, das Experiment wagen. Wir wollen uns selbst ermuntern, dadurch dass wir eine Band sind und Rockmusik machen, aber wir wollen auch alle ermuntern, die unsere Musik hören.

Testspiel: In Deutschland gibt’s momentan viele Bands mit mehr Gitarre, die in deutscher Sprache singen und viel Kritikerlob bekommen wie Messer, Die Nerven, et cetera. Seht ihr das als eine Art Bewegung oder Szene?

Paul Pötsch: Szene auf jeden Fall.

Tammo Kasper: Das ist schon interessant, weil wir mit eigentlich fast allen Bands fernab von der Musik befreundet sind. Man kennt viele Leute und macht viel zusammen, begegnet sich ständig auf irgendwelchen Festivals oder auf Konzerten oder hängt auch privat zusammen rum. Und man hat-

Paul Pötsch: Die haben hier auch alle schon gepennt, wenn die bei uns gespielt haben im Pudel.

Tammo Kasper: Es ist schon so, dass die Bands, fernab davon, dass sie vielleicht deutsch singen und zum Teil Gitarre benutzen, sich seinen gewissen Spirit, eine gewisse Haltung, eine gewisse Kritik sich teilen.

Paul Pötsch: Auf jeden Fall.

„Wir sind das Sprachrohr der neuen Hamburger Sonderschule.“

Testspiel: Welche Frage nervt denn jetzt schon mehr? Die nach der Hamburger Schule? Oder ob ihr euch als Sprachrohr einer Generation seht?

Tammo Kasper: Whoa (Lacht.)

Paul Pötsch: Also die Hamburger-Schule-Frage definitiv.

Testspiel: Ja?

Paul Pötsch: Ja.Die Frage wurde uns ja schon 1994 gestellt, als wir („Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“) aufgenommen haben. (Lacht.)

Tammo Kasper: Wir sind das Sprachrohr der neuen Hamburger Sonderschule.

Testspiel: Das Sprachrohr der neuen Hamburger Sonderschule, sehr schön. Hat der Begriff „Hamburger Schule“ überhaupt eine Bedeutung für euch?

Tammo Kasper: Nee.

Paul Pötsch: Kann er ja gar nicht haben. Den haben alle anderen in den 90ern schon abgewiesen, weil das so unzulässig ist.

Tammo Kasper: Das ist halt einfach ein Begriff, mit dem es sich Musikjournalisten wahnsinnig einfach machen, um alles, was nicht kompletter Mainstream ist, nicht total auf den Kopf gefallen ist und deutsch singt, in eine Kiste zu schmeißen. Das macht es halt einfach wahnsinnig einfach, aber diese einfache Kategorisierung funktioniert nicht.

Paul Pötsch: Außerdem hat das auch so einen Lokalmief. Die Bands, die heute irgendwie spannend sind, wohnen überall in Deutschland. Das ist ja mittlerweile viel größer, als dass es hier nur so zwei, drei Kneipen betreffen würde, wo ein paar Verrückte rumhängen.

Testspiel: Okay, Thema abgehakt. – Uns Autor Sebastian ist der Meinung, dass ihr die Lücke füllt, „die von Lowtzow, Distelmeyer und Spilker hinterlassen haben als sie kapitulierten, zu Apfelmännern wurden oder einfach die Flucht von der Flucht antraten“?

Tammo Kasper: Ich glaube schon, dass es eine Lücke gibt innerhalb der deutschsprachigen Populärmusik. Wenn man sich jetzt die letzten zehn Jahre anguckt, ist es wahnsinnig viel befindlichkeitsfixierte Scheiße und Schultergeklopfe und Musik, die einen in Sicherheit wiegt. Motto: „Es ist alles in Ordnung, es ist alles okay.“ Das ist ein Lücke, die vielleicht diese Bands hinterlassen haben. Das, was wir machen, soll aber nicht irgendwas aufwärmen, sondern das ist jetzt und das passiert hier und ist kein Referenz an irgendwas.

Testspiel: Eure Piano Version mit Lambert von „In all diesen Nächten“ ist ein schöner Kontrast zum Album.

Stream: TRÜMMER X LAMBERT – IN ALL DIESEN NÄCHTEN (PIANO VERSION)

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Tammo Kasper: Wir fanden es auf jeden Fall sehr inspirierend, mit ihm zusammenzuarbeiten. Vielleicht spielen wir das auch noch mal live mit ihm zusammen oder machen noch einen anderen Song mit ihm. Mal gucken, was passiert. Diese Seite von uns gibt es auch.

Maximilian Fenski: Es macht total Spaß, einen Song zu nehmen und zu gucken, von welcher Seite man den auch noch angehen kann. Das haben wir auch im Vorfeld der Produktion so gemacht, zum Beispiel „Morgensonne“, der letzte Track auf dem Album, der fing eigentlich auch als ziemlich krachige Up-tempo-Nummer an, und dann hat man auch geschaut, was ist denn eigentlich, wenn man den total reduziert.

Record Release Party

Testspiel: Am 22.08. erscheint euer Album. Was ist das für ein Gefühl?

Paul Pötsch: Totale Vorfreude einerseits, und andererseits auch so, dass wenn mir das jemand vor zwei oder vor drei Jahren erzählt hätte, hätte ich es nicht geglaubt. Unser Leben hat sich, dadurch, dass wir eine Band gegründet haben, wir Konzerte spielen, so dermaßen verändert. Einerseits schaut man zurück und freut sich über den Weg, den man zurückgelegt hat. Und andererseits hat man eine Wahnsinnsvorfreude auf die Veröffentlichung. Ich bin einfach sehr gespannt auf die Reaktionen. Und vor allen Dingen, das Album dann auch live zu spielen. Wenn man merkt, die Gedanken, die man sich macht, die Texte, die man schreibt, kreisen sich nicht nur um einen selbst, sondern bedeuten plötzlich auch anderen Leuten etwas. Das ist halt das Geilste. Dass sich das einlöst.

Testspiel: Feiert ihr den Release?

Tammo Kasper: Wir spielen am Samstag nach dem Release for free in der Hanseplatte.

Testspiel: Vielen Dank für das Gespräch.