Es ist schon fast vier Jahre her, dass ich We Were Promised Jetpacks live gesehen habe und nach wie vor liegt mir die schottische Band sehr am Herzen. Im Vorfeld ihres Konzerts im Hamburger Uebel & Gefährlich Anfang 2015 drehten wir im Rahmen der Pink Carpet Sessions zwei Akustik-Videos mit Sänger Adam. Beim anschließenden Konzert ging es mir plötzlich im Magen rum und kurz nach Ende – gerade noch rechtzeitig – ging es dann los. Viel Spaß mit diesem Kopfkino.
Nun, vier Jahre später, melden sich die Schotten mit ihrem vierten Album „The More I Sleep The Less I Dream“ eindrucksvoll zurück und feiern das mit einer großen internationalen Tour, die neben Europa auch durch die USA geht. Im Molotow sitzt Adam wieder vor mir und wir sprechen vor dem ausverkauften Konzert über die längere Bandpause, welchen Einfluss Frauen und Kinder auf die Band und die Musik haben und natürlich auch über das neue Album.
Entspannter Schnack vor dem Konzert mit Adam, Sänger und Gitarrist von We Were Promised Jetpacks (links). Foto: Benjamin NeuwerckIhr kommt aus einer vierjährigen Pause, zumindest gab es keine neue Musik oder größere Touren.
Adam: Ja, wir haben zumindest seit 2016 keine Tour mehr gemacht. Ein paar kleine Shows, aber wir haben immer an neuer Musik geschrieben. Nach außen hin sah es aber eher wie eine Pause aus.
Jetzt seid ihr mitten in einer internationalen Tour mit 50 Konzerten. Wie sehr habt ihr das alles vermisst?
Adam: Ziemlich! Es ist einfach großartig, Musik zu machen. Wir hatten unseren ersten Plattendeal bekommen, als wir noch auf der Universität waren. Wir wussten immer, dass wir was mit Musik machen werden. Wir dachten aber nicht, dass es so lange anhält (lacht). Wir mussten nie über einen anderen Karriereweg nachdenken, weil wir einfach lieben, was wir machen. Aber wir haben zwei Jahre Pause vom Touren genommen, weil es irgendwann etwas langweilig wurde. Die Aufregung, die Leidenschaft und das Verlangen verblassten. Wie ein Burnout. Wir haben erstmal weniger gespielt, sind lieber daheim geblieben und haben Zeit mit Frauen, Freundinnen, Familie und anderen Jobs verbracht. Ein paar Gänge runter. Aber wir haben nie aufgehört, mit der Band Konzerte zu spielen oder an neuer Musik zu arbeiten. Wir haben sogar mehr Musik als jemals zuvor geschrieben! Die Geschwindigkeit war einfach anders, nicht Touren, Schreiben, Touren und wieder Schreiben. Wir konnten entspannter an die Sache rangehen.
We Were Promised Jetpacks – Repeating Patterns (Video)
Seid ihr in dieser Zeit auch als Freunde privat zusammen oder ist die Band die entscheidende Verbindung?
Adam: Es war mal so, dass zwei in Glasgow und zwei in Edinburgh wohnten und Proben unsere einzige gemeinsame Zeit war. Das hält man als Band besser aus, wenn man untereinander gut befreundet ist. Ich habe immer eine gute Zeit mit den Jungs. Zusammen an neuer Musik arbeiten ist auch entspannter, je länger man es über die Jahre macht. Deswegen sind wir so gute Freunde, aber wer weiß, was passiert wäre, wenn die Band nicht so lange existiert hätte. Wir sind so froh, dass wir uns alle so früh im Leben getroffen haben und immer noch so gut miteinander auskommen.
Euer erstes Album „These Four Walls“ entstand in der Unizeit, als ihr um die 20 Jahre alt gewesen seid. Das neue Album „The More I Sleep The Less I Dream“ kam vor zwei Monaten raus, ihr seid jetzt Anfang 30. Was hat sich in den zehn Jahren verändert?
Adam: Ja, 20 ist verdammt jung. Jetzt wissen wir, was abgeht. Sobald unser erstes Album fertig war, gingen wir auf Tour. Ich war nicht vorbereitet, wusste nicht, wohin wir fahren oder wie viele Konzerte wir geben. Die Zeit im Studio ist im Vergleich zu früher viel entspannter, weil wir genau wussten, wo es hingehen soll und wir keine Angst vor dem Ergebnis hatten. Beim ersten Album waren wir mit vielem einfach zufrieden und schauten zu, was sich daraus entwickelte. Das war manchmal etwas naiv. Aber diesmal waren wir im Vorfeld sehr gut vorbereitet, hatten das gesamte Material zusammen. Wir wollten nicht erst im Studio Heureka-Momente, durch die ein guter Song geboren wird.
Ihr habt diesmal mit Jonathan Low gearbeitet, der schon Alben für The National, Frightened Rabbit oder Modern Baseball produziert hat. Wart Ihr zum ersten Mal zum Aufnehmen in den USA?
Adam: Ja!
Ihr habt das Album auch an verschiedenen Orten in mehreren Studios aufgenommen.
Adam: Das war super, denn wir konnten überall aufnehmen, was wir wollten. Wir waren nie auf einen Ort festgenagelt. Mich interessiert es nicht, ob in dem Studio schon die und die berühmte Band aufgenommen hat. Mir geht es vor allem um den Vibe. Wir haben mit vielen Produzenten gesprochen, aber bei Jonathan wussten wir sofort, dass er unsere Vision vom Album kapiert. Außerdem hat er viele Bands produziert, die wir auch gerne hören. Am Ende war es eine einfache und schnelle Entscheidung. Er schlug auch die Studios vor.
We Were Promised Jetpacks – Peaks And Troughs (Video)
Wie würdest du seine Arbeit beschreiben? Ist er mehr der Begleiter, der ab und an mal Vorschläge bringt, oder eher streng und gibt den Ton an?
Adam: Er gab oft Tipps oder äußerte seine Gedanken und wir waren glücklich damit. Wir wussten ja, dass er extrem viel Ahnung hat und die richtigen Entscheidungen trifft. Er war sehr umgänglich und konzentriert. Ich spielte für knapp sechs Stunden Gitarrenriffs ein und es wurde langsam langweilig, aber er und sein Kollege waren die ganze Zeit konzentriert und begeistert. Sie waren nah dran und redeten viel mit uns, aber wollten uns nichts aufschwatzen oder über unsere Köpfe hinweg entscheiden. Es war sehr inspirierend. Wir haben wenig Änderungen in Songs im Studio gemacht, mussten nicht mehr so viel rumprobieren, weil wir so gut vorbereitet waren. Das fand Jonathan auch gut.
In vielen Reviews zum neuen Album liest man, dass ihr euch wieder auf eure Wurzeln besinnt. War das die Intention?
Adam: Ja, wir haben am Anfang viel darüber gesprochen. Wir haben seit vier Jahren keine Musik mehr aufgenommen, nur Shows gespielt. Wir haben aber Demos gemacht und neue Songs in die Setlists eingestreut. Das half uns sehr, die Songs zu schleifen. Wir wollten sicher sein, dass wir die neuen Songs mit unseren Instrumenten auf der Bühne spielen können und keine Extrainstrumente oder ähnliches brauchen. Diesem Instinkt sind wir gefolgt und haben nicht so viel darüber nachgedacht, ob dieser eine Song eine großartige Strophe hat, die später vielleicht in einem Review erwähnt wird. Wenn man sich mit so was aufhält, blockiert man sich selbst. Wenn wir einen Sechs-Minuten-Song schreiben, in dem ich nur zwei Worte singe und wir das trotzdem geil finden, dann ist das gut und bleibt so. Früher haben wir uns da viel mehr Gedanken gemacht.
Dann kommen ja auch noch Frau, Kind, Hausbau, Jobs und alles Mögliche dazu. Welchen Einfluss hatte das in den vergangenen Jahren auf die Band?
Adam: Es hat Einfluss. Unsere Freundinnen oder Frauen respektieren und verstehen, warum wir das machen und unterstützen uns. Es ist nicht leicht, den Partner für sechs Wochen zu verlassen, um auf Tour zu gehen. Wenn man sich einig über solche Sachen ist und damit gut klarkommt, macht es die Zeit auf Tour auch einfacher.
Mich interessieren die musikalischen Einflüsse zum neuen Album. Da es zurück zu den Wurzeln geht, habt ihr euch verstärkt die Musik zu Herzen genommen, die ihr in der Teenager-Zeit gehört habt?
Adam: Ja, etwas. Mit manchen Bands sind wir getourt und konnten erleben, wie sie abseits der Bühne drauf sind. Da dachte ich mir: Ich mag diese Menschen! Nicht nur die Musik, sondern auch wie sie sich verhalten. Manchmal beeinflusst mich Musik mehr, die ich nicht mag. Ich stehe auf eher ruhige Sachen, Singer/Songwriter wie Leonard Cohen. Das bringt man irgendwie alles zusammen und es wird laut (lacht). Ich höre nicht so viele Bands, die wie wir klingen. Aber jeder hat seine eigenen Ansätze. Natürlich hört man heute immer noch die Musik, die man als Teenager gehört hat, weil sie einen geprägt hat. Ich bin ein Britpop-Kind, Bloc Party, Futureheads, Blur, Oasis und sowas.
We Were Promised Jetpacks – I Keep It Composed (the pink carpet sessions)
Wie entdeckst du neue Musik? Nutzt du Spotify?
Adam: Ja, manchmal. Aber viel mehr sind es Freunde oder Bekannte, die mir neue Musik in die Hand drücken. Wenn sie die Musik gut finden, höre ich auch gerne rein. Bei Playlists auf Spotify kann man manchmal nicht einschätzen, ob neue Sachen wirklich gut und vor allem relevant sind. Manchmal hört man nebenbei zu und wundert sich, was man eben gehört hat. Deshalb hört man nur einzelne Songs von Bands und kennt das restliche Repertoire nicht. Es ist nicht einfach, über die richtig gute Musik zu stolpern.
Ich schaue jeden Freitag nach neuen Veröffentlichungen und höre möglichst alles durch, was interessant sein könnte. Aber es ist einfach zu viel.
Adam: Ja! (lacht) Es ist zu viel, irgendwann gebe ich dann auf.
Euer neues Album erscheint nicht mehr auf Fat Cat, sondern auf Big Scary Monsters. Wie kam es dazu?
Adam: Mit Fat Cat haben wir drei Alben gemacht. Danach wollten wir uns nicht mehr verpflichten, weil wir nicht wussten, wie lange es mit der Band weitergeht. Wir wollten keinen Druck, ein neues Album zu machen, weil es irgendwo vertraglich festgehalten wurde. Wir wollten einfach schauen, was möglich ist und haben die Aufnahmen zum Album selbst finanziert. Big Scary Monsters kontaktierte uns danach und bot uns die Zusammenarbeit an. Sie haben fähige Leute und wissen besser als wir, wie man ein Album promotet. Das soll aber nicht heißen, dass wir Fat Cat nicht mehr mochten. Es war einfach ein guter Zeitpunkt für einen Wechsel. Zumal wir eine Zeit lang gar kein Label hatten. Bei Big Scary Monsters hat dann alles gestimmt.
Das Video zur neuen Single „Repeating Patterns“ ist großartig! Erzähl mir ein bisschen mehr darüber.
Adam: Wir haben bei Videos normalerweise keine Ahnung und keine Ideen, deswegen geben wir das gerne ab. Unseren Freund Daniel haben wir vor ein paar Jahren kennengelernt, er betrieb eine Art Musik-Website mit Akustik-Sessions und Bandvideos. Später wurde er Videoproduzent, unter anderem für The War On Drugs. In Philadelphia haben wir uns wieder getroffen und wir wollten Daniel das neue Video machen lassen. Er hatte zu viel auf dem Tisch, kannte aber talentierte Freunde und die übernahmen das. Wir hatten keine Ahnung, was herauskommen wird, und eines Tages hatten wir ein fertiges Musikvideo in unserem Postfach. Drei Tage bevor die Single rauskam. Ich fand das Video vom ersten Schauen an großartig! Manchmal kommen die besten Ergebnisse dann, wenn wir nicht involviert sind (lacht).
Ich will nochmal auf den Titel „The More I Sleep The Less I Dream“ zurückkommen. Was bedeutet dir das Träumen?
Adam: Manchmal sagen Träume etwas über die Hoffnungen aus, die man in die Zukunft setzt. Je älter man wird, desto mehr hat man insgesamt im Leben geschlafen, träumt aber weniger. Je näher man ans Lebensende kommt, desto weniger Träume hat man. Auch weil man weiß, was man hat. Ich träume nicht oft, ich hatte früher mal Albträume, mit einem Glatzkopf, der aus der Wand kommt und mich umbringt. Als Kind ganz schön gruselig (lacht).
Oder der klassische Albtraum: Man geht in die Schule und merkt erst vor Ort, dass man nackt ist.
Adam: So was hatte ich zum Glück nicht! (lacht)
We Were Promised Jetpacks on Audiotree (Live Video)
Meine letzte Frage dreht sich um Scott Hutchison von Frightened Rabbit, du musst sie nicht beantworten, falls es dir zu nahe geht. Was hat sein Tod mit euch gemacht? Schließlich wart ihr gut befreundet.
Adam: Es war sehr traurig, dass so etwas passiert. Wir kannten ihn lange, schon seit Fat-Cat-Zeiten, und wir hatten immer wieder mit ihm zu tun. Er war ein liebenswerter und witziger Mensch. Ich hatte bis dahin nicht realisiert, dass so viele Leute ihn kennen und coole Anekdoten auf Lager haben. Sein Tod hat uns gewissermaßen wieder auf den Boden der Tatsachen geholt, und wir sind alle offener geworden, auch über unsere Gefühle zu reden und sie zu zeigen. Das ist wohl das Positive an der ganzen Sache.
Vielen Dank für das Interview, wir freuen uns auf die Show!
Adam: Danke, ich freue mich auch schon sehr drauf. Hat Spaß gemacht!
Adam war ein sehr angenehmer und offener Gesprächspartner. Wir hatten viel zu lachen, bei manchen Themen sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus. Ein ganz anderes Bild ergab sich auf der Bühne. Hier agierte er eher zurückhaltend, wortkarg und schüchtern. In einer der seltenen Ansagen zwischen den Songs ging er selbst darauf ein, dass er kein großer Redner ist und bedankt sich brav beim Publikum. Es braucht aber keine Worte, wenn die Musik für sich alleine sprechen kann. Das haben We Were Promised Jetpacks bei ihrer Rückkehr nach Deutschland mal wieder eindrucksvoll bewiesen.
We Were Promised Jetpacks – The More I Sleep the Less I Dream (Albumstream)
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