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„Wenn der Vorhang fällt“ – Kinostart der Hip Hop Doku & Interview mit Filmemacher Michael Münch

Die Doku „Wenn der Vorhang fällt“ erzählt die Geschichte des deutschen Hip Hop, feierte im Frühjahr 2016 in München auf einem Filmfest Premiere und lief vorerst nur dort. Filmemacher Michael Münch gewährt mit WdVf nicht nur einen tiefen Einblick in die deutsche Hip Hop Kultur, sondern lässt auch Urgesteine wie Smudo und Denyo von den Beginnern erzählen, wie sich Rapmusik in Deutschland über Jahre entwickelt hat und wie sie diese Zeit erlebt haben. Künstler der neuen Generation wie Marteria melden sich ebenso zu Wort. Jetzt kommt „Wenn der Vorhang fällt“ in die deutschen Kinos.

„Inzwischen dominiert deutscher Rap die Charts, ist in Talkshows zu Gast und Thema auf den Schulhöfen. Aus dem Nischenphänomen ist eine, wenn nicht sogar die Subkultur geworden – mit eigener Identität und vor allem auch einer eigenen Geschichte“, heißt es im Pressetext. Und auf diesem Weg dorthin, der eine komplette Geschichte darstellt, schwelgen Altmeister der Szene in Erinnerungen. Eine schöne Idee, die Protagonisten zu Anfang des Films Hip Hop als „Person“ zu beschreiben. Überspitzte Aussagen, wie die von Afrob lassen einen schon sehr schmunzeln.

„Weiß doch jeder. Wir haben wenig Bildung, wir sind affektiert. Wir sehen die Welt einfach, mögen Bitches und hassen alles andere. Bis zum gewissen Punkt stimmt das sogar alles, ist richtig. Aber uns gibt es auch. Wie man mit all den anderen Menschen auch dealen muss. Wir sind da.“

Während man viele Gesichter kennt, gibt es auch den ein oder anderen, den man vielleicht nicht mehr auf dem Zettel hat. Das macht es interessant, da man so auch Neues erfährt. Sie nehmen einen mit durch drei Epochen deutsche Hip Hop Entwicklung. Von der Breakdance Bewegung der 80´er, begleitet von der „Dreifaltigkeit des Hip Hop“ – einer Art Regelbuch – über die Bambule Stimmung und dem Umgang des Medien Hypes der 90´er, bis hin zur totalen Wandlung in den Nullerjahre mit Rappern wie Sido. Der über seine eigene Entwicklung sagt „Ich bin froh, dass ich nicht mehr der Junge von früher bin. Aber, ich bin auch froh, dass ich der Junge mal war, und darüber reden kann und das alles erlebt hab, weil es mir trotzdem oft ein Lächeln ins Gesicht zaubert, was damals so los war.“

Wir wollen nicht zu viel verraten, aber es gibt Rückblicke, die das gleiche bei uns schaffen. WdVf ist „Coming of Age des deutschen Rap“. Man guckt in kindliche Gesichter, die im Laufe der Zeit eine ganze Generation bewegen sollen, stolpert mit ihnen über Hoch und Tiefs und geht mit der zufriedenen Erkenntnis, Hip Hop war niemals tot.

„Wenn der Vorhang fällt“ Trailer

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Im Gespräch mit Michael Münch

30 Jahre deutsche Hip Hop Kultur. Was verbindet Dich mit dem Thema?

Rapmusik war eigentlich die erste Musikrichtung, die mich über einen längeren Zeitraum fasziniert hat. Da gab es das „The Swarm“ Album vom Wu-Tang Clan, welches bei meinem älteren Bruder im Zimmer rum flog. Kurz darauf hatte er dann auch die Esperanto CD von Freundeskreis. Also war ich 9-10 Jahre alt, als ich das erste mal Rap gehört habe. Mit der Hip Hop Kultur hatte das aber wenig zu tun. Breakdance, Graffiti und Djing waren dann eher Dinge, über die ich erst später etwas erfahren habe. Über die Tatsache, dass es einen Unterschied zwischen der deutschen und englischen Hip Hop Geschichte gibt, habe ich mir auch erst viel später Gedanken gemacht. Ich war einfach froh, dass ich bei den deutschen Künstlern zumindest verstehen konnte, worüber gesprochen wird. Was mich bis heute mit dem Thema verbindet, ist meine Liebe zur Musik generell und dass ich im Zweifelsfall immer Hip Hop Beats am anregendsten finde. Ich höre auch andere Genres, aber bei Rap liegen irgendwie meine Wurzeln von musikalischem Verständnis.

Ich liebe Geschichten, gute Gespräche. Geht es Dir ähnlich oder warum hast Du eine Doku gedreht, bei der Du vor allem die Protagonisten einfach erzählen lässt?

Genau, das stimmt. Ich liebe es mich zu unterhalten und unterhalten zu werden. Am besten bei guten Gesprächen. Allerdings bin ich kein großer Fan von Talk-Runden im Fernsehen oder so. Ich nehme lieber selbst an einer Diskussion teil. Durch die Herangehensweise an den Film konnte ich quasi im stillen mitdiskutieren, ohne meine Person in die Dokumentation zu bringen. Mir war wichtig, dass die Geschichte des Deutschrap von den Leuten erzählt wird, die ihn geprägt und miterlebt haben, nicht von mir persönlich. Ist doch auch viel spannender! Ich kann zu dem Thema zwar viel recherchieren, aber interessant wird es doch erst, wenn wir mitbekommen, wie einige der prägendsten Figuren selbst eine Entwicklung durch gemacht haben und emotional werden, bei dem ein oder anderen Statement.

HH Local und Hip Hop Grösse Samy Deluxe kommt u.a. zu Wort. Hattest Du Wunschkandidaten?

Klar hatte ich Wunschkandidaten und die habe ich letztendlich nach viel harter Arbeit auch alle bekommen. Es wäre zwar schön gewesen, wenn ich die Chance gehabt hätte noch einige andere Künstler zu bekommen, aber irgendwann muss auch mal der Deckel drauf. Die Doku ist voll mit tollen Künstlern, die eine wunderbare Geschichte über 80 Minuten erzählen. Wenn ich noch mehr Leute mit rein genommen hätte, dann wäre es auch irgendwann zu viel des Guten. Ich finde, wir haben einen schönen Mix aus Künstlern vieler Richtungen und Zeiten bekommen. Ich bin total zufrieden mit unserem Cast.

Drei Jahre hast Du an der Doku gearbeitet und diese selbst finanziert. Warum dieser Alleingang?

Der Alleingang kam daher, dass ich einfach für mich selbst ausprobieren wollte, was man rausholen kann. Als Regisseur und Produzent ist es ja mein erstes Projekt überhaupt. Ich hatte aber unterschiedlich gute und schlechte Erfahrungen als Filmeditor mit Senderbeteiligung. Da das Thema Hip Hop in Deutschland ja auch sehr kontrovers diskutiert werden kann, war es mir einfach wichtig bei diesem Projekt meinen eigenen Weg und meine eigene „Erzählerstimme“ zu entfalten, ohne mich vor jemandem künstlerisch oder finanziell rechtfertigen zu müssen. Das ist zwar ein riskantes Spiel bei so einem großen Projekt, aber am Ende hat es funktioniert. Aber ohne die Unterstützung von meinem Team und besonders von meinem Kameramann Heiko Knauer, hätte das alles nicht geklappt. Er hat das Projekt von Anfang an mit getragen und dabei geholfen, dass uns die Filmfirma ARRI mit Equipment unterstützt. Unter normalen Umständen wäre so ein Film deutlich teurer geworden. Es hat mir auch geholfen, die Produktion in meinem eigenen Tempo durchzuziehen, ohne großen Druck.

In einem Interview stand, dass Deine Filmfreunde in den USA nicht mal wussten, dass es deutschen Rap gibt. Fasst man sich da an Kopf und fragt sich, wie kann das sein?

Mhhh.. also, an den Kopf gefasst habe ich mir nicht, haha. Es ist schon komisch, weil es für uns ja mittlerweile so etwas normales ist. Ich glaube aber, wenn mir jemand erzählen würde, dass es Inuit-Rap gibt, würde ich auch erst mal nachfragen, wer so was denn macht? Man muss da etwas Nachsicht mit anderen Kulturen haben. Außerdem ist es doch schön von neuer Musik überrascht zu werden. Besonders, wenn vorher nur Scooter und Rammstein als deutscher Export bekannt waren. Dann wäre es doch cool, wenn meine Doku dazu beitragen könnte auch hier neue Zuhörer weltweit zu gewinnen.

Im amerikanischen Rap Business scheint eine neue Generation aufzuholen, die mit modernem Sound und Look auffährt. G-Eazy, der „James Dean des Rap“ stürmt in Bikerjacke, ganz ohne bling bling die Charts. Wie sieht´s mit dem deutschen Nachwuchs aus? Sind wir da schon weiter mit Künstlern wie Cro?

Im deutschen Rap gibt es Image mäßig seit einigen Jahren einen großen Wandel. Wenn man Typen wie MC Fitti, Alligatoah oder Casper sieht, hat man ja schon drei ganz verschiedene Sparten an Rapmusik. In der äußerlichen Erscheinung und der Thematik der Musik, stehen wir da in nichts hinterher. Es gibt alles und ob das jetzt gut ist oder nicht, entscheiden am Ende ja die Fans. Ich glaube schon, dass in den USA musikalisch ´ne Schippe mehr drauf liegt. Da sind die Beats meinem Geschmack nach einfach eine Nummer dicker. Klingt jetzt ein bisschen nach Klischee, aber so ist meine subjektive Wahrnehmung. Was es bei uns noch nicht so gibt, sind homosexuelle Rapper, die auch offen dazu stehen. Gesellschaftlich gesehen gibt´s da noch viel Luft nach oben, was die Diversität angeht.

Gestartet ist WdVf auf einem Film Festival. Jetzt habt Ihr es in die Kinos geschafft. Wie?

Auf dem Dokumentarfilm Festival München haben wir drei Vorstellungen komplett ausverkauft und somit natürlich eine tolle Resonanz bekommen. Das waren schon ca. 800 Leute, die den Film nur in München innerhalb von wenigen Tagen geschaut haben. Die Zuschauer waren größtenteils sehr begeistert von der Dokumentation und das hat sich rum gesprochen in München. Glücklicherweise ist dann der Zorro Film Verleih an uns heran getreten und hat uns die nötige Unterstützung angeboten, den Film nun doch endlich ins Kino und auf DVD zu bringen. Jetzt ist das Festival fast ein Jahr her und wir starten endlich deutschlandweit ab dem 30.3.2017.

Was macht den Film nicht nur für Hip Hop Fans, sondern für jeden interessant?

Der Film ist nicht nur für Hip Hop Fans, sondern für alle, die etwas über das moderne Deutschland lernen möchte. Klar geht es vordergründig um Musik und um die Entwicklung der deutschen Rapszene, aber es zeichnet auch ein tolles Bild der modernen Kulturszene in Deutschland. Die Welt der jungen Menschen ist seit 1980 noch offener und gleichzeitig komplexer geworden. Das heißt für jeden Zuschauer zwischen 12-99 Jahren, dass er oder sie miterleben kann, wie sich die Gesellschaft durch Hip Hop in Deutschland gewandelt hat. Als Fan kommt man aber auch mit Anekdoten und Erzählungen der Protagonisten nicht zu kurz. Ich kann mich zum Glück mit beiden Gruppen sehr gut identifizieren. Ich habe fest gestellt, dass viele Leute den Film gerne als Date sehen möchten. Wäre doch mal ein guter Anlass, dass die Herren und Damen ihre zukünftigen einpacken und etwas anderes zusammen anschauen, als die 08/15 Komödie!

Wann und wo wird der Film in Hamburg laufen?

Der Film wird als Sondervorstellung am 01.04. im Studio Kino laufen. Wenn Ihr den Film sehen möchtet, haltet am besten die Augen offen auf unserer facebook Seite. Dort werden alle Termine und Infos rausgegeben.

„Wenn der Vorhang fällt“ / Kinostart 30.03.2017

(IV Ausschnitte geschnackvoll, VÖ 11.05.16)