Underground vs. Mainstream: dieser Konflikt ist vermutlich so alt wie das Musikgeschäft selbst. Kann ein Musiker kreativ bleiben, wenn er mit großen Namen ins Bett steigt und dabei dann auch noch gradliniges Material rumkommt? Pauschalisierungen helfen bei der Beantwortung dieser Frage selten weiter, beide Fälle habe ich bereits beobachtet. Dennoch, ein kritisches Ohr kann man kaum vermeiden wenn Zola Jesus aus dem Schatten und der Einsamkeit tritt um Platz eins der US Charts ins Visier zu nehmen.
In mehreren Interviews wurde sie mit der Aussage konfrontiert, mit „Taiga“ auf der Pole Position der Billboard Charts landen zu wollen. Natürlich sind solche Statements immer relativ zu sehen, im Fall „Taiga“ gibt es jedoch weitere Indizien die stutzig machen. Vom Cover blickt Zola Jesus uns anders als gewohnt unverschleiert entgegen, produziert hat sie dieses Mal nicht selbst und noch dazu wird die Platte nicht wie gewohnt vom Insider Label SBR sondern vom (immerhin Indie – ) Giganten Mute vertrieben. Zugegeben: die Musik von Zola Jesus hatte schon immer eine ordentliche Portion Pop an Bord, lebte aber auch immer vom Kontrast zwischen Pop und garstigen Attacken auf den Hörer.
Nun gibt es weitestgehend eine neue Ästhetik: der Sound ist glatter, weniger Lo – Fi, der Gesang ist oft weniger kryptisch sonder erstaunlich zugänglich, die Strukturen der Songs sind offener erkennbar. Natürlich gab es auch diese Songs schon immer, doch sie wurden kontrastiert – dieser Kontrast entfällt auf „Taiga“ weitestgehend. Das heißt aber nicht, dass die neuerdings in schwarz Gekleidete plötzlich von Traumprinzen und Märchenschlössern singt. „Taiga“ ist ähnlich düster wie seine Vorgänger geworden, nur eben viel geradliniger produziert. Die alte Weirdness kommt mal in Form von dominanten Bläsern, einem D’n’B Beat oder rückwärtslaufenden Instrumenten zurück. Doch alles in allem handelt es sich hier um Musik, die irgendwie in den Charts stattfinden könnte.
Man kann jetzt natürlich über all die verpassten Chancen und die verloren gegangenen Nuancen meckern, man kann sich aber auch zusammenreißen und die Vorteile des neuen Albums genießen. Schon die erste Single „Dangerous Days“ erweist sich als wahrer Glücksgriff, eine paranoide Hymne wie sie vielleicht nur jemand wie Danilova schreiben kann. „Hunger“ stampft mit Ecken und Kanten auf die Tanzfläche und „Long Way Down“ ist die Art reduzierten Elektropops, die es seit den 80ern viel zu selten zu hören gibt. Doch da gibt es eben auch ein paar Stellen an denen das neue Konzept langweilt und unbefriedigt zurücklässt. Den Schritt aus dem Schatten hinaus hat Zola Jesus nun gewagt und auf die Fresse geflogen ist sie dabei nicht. Von einer neuen Heimat ist sie aber doch noch ein wenig entfernt.
„Taiga“, Zola Jesus‘ viertes reguläres Album, erscheint hierzulande am 3. Oktober. Den Stream zur Platte haben die Kollegen von der Spex für euch parat und unten gibt’s nochmal das wunderschöne Video zu „Dangerous Days“ zu bestaunen.
http://vimeo.com/104392195